M. C. Flannery u.a. (Hrsg.): The Culture of Inquisition

Cover
Titel
The Culture of Inquisition in Medieval England. Westfield Medieval Studies 4


Herausgeber
Flannery, Mary C.; Katie L. Walter
Erschienen
Cambridge 2013: Boydell & Brewer
Anzahl Seiten
194 S.
Preis
URL
Rezensiert für infoclio.ch und H-Soz-Kult von:
Kathrin Utz Tremp, Staatsarchiv Freiburg

Mary C. Flannery/Katie L. Walter (Ed.), The Culture of Inquisition in Medieval England (=Westfield Medieval Stu¬dies 4), Cambridge, Brewer, 2013

Im Allgemeinen gilt, dass die Inquisition – verstanden sowohl als gerichtliche Formation als auch als gerichtliches Verfahren – im Mittelalter in England nicht im gleichen Masse Einlass gefunden und aktiv gewesen war wie auf dem Kontinent. Nichtsdestoweniger tritt dieses Buch an, um zu beweisen, dass es in England mehr Inquisition gegeben habe, als man gemeinhin glaubt. Es ist das Werk von mehreren Autoren, deren Beiträge als Kapitel durchnummeriert sind (und auch bis zu einem gewissen Grad auseinander hervorgehen), aber es bleibt ein Sammelband und die einzelnen Beiträge brauchten nicht als Kapitel gekennzeichnet zu werden. Trotzdem werden interessante Einsichten geboten, die absolut lesenswert sind. – Henry Ansgar Kelly, Inquisition, Public Fame and Confession: General Rules and English Practices, 8–29, nimmt nützliche Klärungen der im Titel seines Aufsatzes genannten Begriffe vor und stellt fest, dass es in England keine päpstliche Häresieverfolgung gegeben hat. Das inquisitorische Verfahren kam vor allem an den kirchlichen Gerichten zu Anwendung, die sich stärker als die kontinentalen mit heimlichen Ehen, Bigamie und Ehebruch befassten. Sie repräsentierten das externe Forum, im Gegensatz zum internen Forum der Beichte. – Edwin Craun, The Imperative of Denunciatio: Disclosing Others’ Sins to Disciplinary Authorities, 30–44, leitet die Denunziation aus Matth. 18, 15–17 (Si autem peccaverit in te frater tuus) ab. – Ian Forrest, English Provincial Constitutions and Inquisition into Lollardy, 45–59, stellt für England am Ende des 14. und zu Beginn des 15. Jahrhunderts, also kurz bevor die ersten Lollarden verfolgt wurden, eine zunehmende Professionalisierung der kirchlichen Justiz vor, die ihren Ausdruck insbesondere in einer Flut von Konstitutionen fand. – Diane Vincent, The contest over the Public Imagination of Inquisition, 1380–1430, 60–76, berichtet, dass das erste Einsetzen von Inquisition gegen die Lollarden (Sir John Old¬castle, 1413) von einem recht breiten öffentlichen Protest nicht nur von Seiten der Häretiker selbst begleitet war. – Mary C. Flannery and Katie L. Walter, «Vttirli Onknowe»? Modes of Inquiry and the Dynamics of Interiority in Vernacular Literature, 77–93, begeben sich auf das Feld der volkssprachlichen Literatur, das tatsächlich erstaunlich viel hergibt, gerade weil hier Belange des internen Forums häufig mit denjenigen des externen Forums durcheinander gebracht wurden. Dies wird z. B im Dives and Pauper (einer Auslegung der Zehn Gebote durch einen Franziskaner zu Beginn des 15. Jahrhunderts) auch thematisiert. – Jenny Lee, From Defacement to Restoration: Inquisition, Confession and Thomas Usk’s Appeal and Testament of Love, 94–111, schildert den extrem interessanten Fall des Thomas Usk, eines Schreibers, der in den 1380er Jahren in die Faktionskämpfe um König Richard II. hineingeriet und in die¬sem Zusammenhang so¬wohl einen Appeal (der ihm zum Verhängnis wurde) als auch ein Testament verfasste. – James Wade, Confession, Inquisition and Exemplarity in The Erle of Tolous and Other Middle English Romances, 112–129. – Genelle Gertz, Heresy Inquisition and Authorship, 1400–1560, 130–145, befasst sich mit der Form der Abschwörung, einer Art Glaubensbekenntnis, das sich in den Reformationswirren des 16. Jhs. insofern radikal verselbständigte, als es von den Glaubensgefangenen selbst und durchaus nicht im Sinn der Richter formuliert wurde. – Ruth Ahnert, Imitating Inquisition: Dialecta Bias in Protestant Prison Wirtings, 146–163, stellt weitere Schriften von Glaubensgefangenen vor, in denen häufig der starre Inquisitionsdialog aufgebrochen wurde. – Emily Steiner, Response Essay: Chaucer’s Inquisition, 164–172.

Zitierweise:
Kathrin Utz Tremp: Rezension zu: Mary C. Flannery/Katie L. Walter (Ed.), The Culture of Inquisition in Medieval England (=Westfield Medieval Studies 4), Cambridge, Brewer, 2013. Zuerst erschienen in: Schweizerische Zeitschrift für Religions und Kulturgeschichte, Vol. 108, 2014, S. 492-493.